Über mich

Der besitzlose Intellektuelle braucht keine Erinnerungen, es soll ihm genügen, von den Büchern zu erzählen, die er gelesen hat — und fertig ist seine Biographie.
(Ossip Mandelstam, «Das Rauschen der Zeit», Ammann)

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Unser Leben ist begrenzt,
doch das Wissen ist grenzenlos.
Gefährlich ist’s,
dem Grenzenlosen nachzugehen
mit dem, was Grenzen hat.
(Zhuangzi, Prinzipien der Pflege des Lebens, «Auswahl», übersetzt von Stephan Schuhmacher, Reclam)

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Die Geburt ist nicht ein augenblickliches Ereignis, sondern ein dauernder Vorgang. Das Ziel des Lebens ist es, ganz geboren zu werden, und seine Tragödie, daß die meisten von uns sterben, bevor sie ganz geboren sind. Zu leben bedeutet, jede Minute geboren zu werden. Der Tod tritt ein, wenn die Geburt aufhört.
(Erich Fromm, «Zen-Buddhismus und Psychoanalyse», Szczesny / Suhrkamp)

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Es kam vor, daß Dummköpfe eine Führer- und große Begabungen eine Sonderlingsrolle spielten.

Von einem Dach zum anderen würde ein Adler nur wenige Flügelschläge gebraucht haben; aber der modernen Seele, die Ozeane und Kontinente spielend überbrückt, ist nichts so unmöglich, wie die Verbindung zu den Seelen zu finden, die um die nächste Ecke wohnen.

Es muss leicht sein, heroisch zu empfinden, wenn man von Natur aus unempfindlich ist, und in Kilometern zu denken, wenn man gar nicht weiß, welche Fülle jeder Millimeter verbergen kann.

Allein, das Leben baut nichts auf, wozu es nicht die Steine anderswo herausbricht.

Was fangen wir mit all dem Geist an? Er wird auf Massen von Papier, Stein, Leinwand in geradezu astronomischen Ausmaßen immer von neuem erzeugt, wird ebenso unablässig unter riesenhaftem Verbrauch von nervöser Energie aufgenommen und genossen: Aber was geschieht dann mit ihm? Verschwindet er wie ein Trugbild? Löst er sich in Partikel auf? Entzieht er sich dem irdischen Geist der Erhaltung? Die Staubteilchen, die in uns hinabsinken und langsam zur Ruhe kommen, stehen in keinem Verhältnis zu dem Aufwand. Wohin, was ist er? Vielleicht würde es, wenn man mehr davon wüsste, beklommen still werden um dieses Hauptwort Geist?!

(Robert Musil, «Der Mann ohne Eigenschaften», Ernst Rowohlt Verlag 🙂 / Jung und Jung)

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Herrschen tut der Profit. Also regieren die asozialen Elemente. Und die schaffen sich eine Welt nach ihrem Bilde.
(Ödön von Horváth, «Italienische Nacht», Suhrkamp)

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Ein Farmer sagte: «Ich möchte gern alles Land haben, das an meinen Acker grenzt.» Bonaparte, der denselben Appetit hatte, war bemüht, das Mittelmeer zu einem französischen See zu machen. Zar Alexander war schon ehrgeiziger: er wünschte, das Stille Meer «seinen Ozean» zu nennen, und die Amerikaner waren genötigt, diese Pläne zu durchkreuzen. Aber wäre die Erde seine Viehweide und das Meer sein Karpfenteich, er wäre immer noch ein armer Schlucker. Der allein ist reich, dem der Tag gehört. Kein König, kein Reicher, keine Fee, kein Dämon besitzt solche Macht wie er. Die Tage sind noch immer so göttlich, wie sie es den ersten Menschen waren. Sie verlangen nichts und vollbringen alles, sie kommen und gehen wie vermummte, verschleierte Gestalten, wie Boten aus einem fernen Freundesland, aber sie sagen nichts, und wenn wir die Gaben, die sie uns schweigend anbieten, nicht nützen, so nehmen sie sie ebenso schweigend wieder mit fort.
(Ralph Waldo Emerson, «Von der Schönheit des Guten. Betrachtungen und Beobachtungen», herausgegeben von Egon Friedell im Diogenes Verlag).

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Es gibt zwei menschliche Hauptsünden, aus welchen sich alle anderen ableiten: Ungeduld und Lässigkeit. Wegen der Ungeduld sind sie aus dem Paradiese vertrieben worden, wegen der Lässigkeit kehren sie nicht zurück. Vielleicht aber gibt es nur eine Hauptsünde: die Ungeduld. Wegen der Ungeduld kehren sie nicht zurück.
(Franz Kafka, Betrachtungen über Sünde, Leid, Hoffnung und den Wahren Weg; in: «Er», Suhrkamp)

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Geduld ist ein Baum mit bitteren Wurzeln, aber mit süßen Früchten.
(«Afrikanische Sprüche» gesammelt und kommentiert von Hans Jürgen von der Wense, Blauwerke)

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Alle Zerstreuung schwächt. Durch fremde Gegenstände, die mich reizen ohne mich zu befriedigen werde ich zerstreut. Mir ist deshalb die Zerstreuung zuwider, weil sie mich entkräftet.
(Novalis,  «Geleit auf allen Wegen», Aus dem Gesamtwerk ausgewählt von Wolfgang Kraus, Georg Prachner Verlag)

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Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.
(Bertold Brecht, «Die Dreigroschenoper»)

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Die Magie der Sprache ermöglicht es und verleitet dazu, aus der Luft zu greifen, was darin liegt, und einem verblüfften Publikum vorzuzeigen, wovon es alsbald nicht mehr wissen wird, was es gewesen war oder sein sollte. Vor allem ist es die Kunstfertigkeit in Doppelbegriffen, die sonst ungekannte Effekte hervorbringt — und dies oder gerade dann, wenn derartiges nicht beabsichtigt, nicht einmal vermutet worden war.
(Hans Blumenberg, «Lebenszeit und Weltzeit», Suhrkamp)